Tina Sturzenegger | Interview

Tina Sturzenegger  | Interview

In diesem Interview erfahren Sie von der Fotografin Tina Sturzenegger die Hintergründe ihrer Arbeit, die damit verbundenen Herausforderungen und wie sie zu ihren kreativen Ideen kommt. Tina arbeitet als freischaffende Food- und Portraitfotografin in Europa und Ostasien.

Tina Sturzenegger arbeitet seit 2009 als freischaffende Food- und Portraitfotografin in Europa und Ostasien. Ihre Arbeiten erscheinen in Magazinen, Geschäftsberichten und in der Werbung. Ihre Fotos werden stark von den Kunstrichtungen Pop Art und Superflat beeinflusst. Sie liebt «cutting-edge» Inszenierungen, schätzt aber auch Reportagen im Foodbereich, bei denen sie zum Beispiel an einem Montagmorgen auf einem Bergkamm Aufnahmen von einem Toggenburger Käser und seinen Ziegen machen darf. «Es ist wie alles im Leben, der Mix macht es aus.», so Tina. Tinas technisch anspruchsvolle Bild, das auch unsere Titelseite schmückt, zeigt ihren eigenen Pop Art Stil. Die gewagte Farbkombination und die spezielle Inszenierung lassen das Foto wie ein malerisches Kunstwerk erscheinen. Sie experimentiert gekonnt mit Objekt-Kombinationen, die normalerweise nie miteinander in Verbindung gebracht werden.
  

Du bist oft in Japan zum Fotografieren. Was zieht dich dahin? 

2008 bin ich das erste Mal für 8 Wochen nach Japan gereist, und es war Liebe auf den ersten Blick. Japan ist einfach perfekt. Mir gefällt die Kunst – insbesondere Superflat, eine Form des Otaku. Ich mag auch die Literatur und finde es unheimlich spannend, wie die japanische Gesellschaft funktioniert. Vom Design, der Architektur und der unglaublichen Natur in Japan mal ganz abgesehen – das ist ein 24-Stunden-Kino.
 

Was macht für dich als Spezialistin gute Food-Fotografie aus?

Food-Fotografie ist meine Leidenschaft. Ein gutes Bild fängt schon beim engagierten Produzenten an, der mir mit den Nahrungsmitteln die Grundlage für ein gutes Bild liefert. Dazu kommt das Können des Kochs und des Food Stylisten. Wenn diese Komponenten stimmen, ist das Bild schon fast gemacht. Gute Fotografie heisst für mich auch, dass man sie nicht kopieren kann. Eine eigene Handschrift ist mir sehr wichtig.
 

Deine Bilder überraschen oft mit sehr unkonventionellen Ansätzen – woher holst du deine Ideen?

Ganz ehrlich: Die meisten Ideen fliegen mir einfach zu, und aus spontanen Gedanken entsteht dann ein Konzept. Ich schaue mir oft auch Künstler wie Yoshimoto Nara, Takashi Murakami und Nobuyoshi Araki an und stelle mir die Frage: «Wie kann ich ein Bild gestalten, das subtil ist, trotzdem den konventionellen Rahmen sprengt und vielleicht auch ein Schuss Ironie und Witz hat?»
 

Du hast Betriebswirtschaft studiert. Bringt dir das heute als Fotografin Vorteile?

Absolut – es wird einem das Analysieren, Planen, Umsetzen und Kontrollieren von Unternehmensabläufen beigebracht – im Kern: Management. Heute profitiere ich davon im Bereich der Kundenberatung sowie auch bei Verhandlungen, da ich die Bedürfnisse meiner Kunden erkenne und verstehe.
 

Wie hat sich das fotografische Umfeld für dich gewandelt seit du angefangen hast?

Mit dem Aufstieg von Social Media ist alles etwas schneller geworden und man hat zusätzliche fotografische Aufgaben bei gewissen Aufträgen. Da der Zugang zur Fotografie einfacher geworden ist, muss man als Fotografin dem Kunden eine herausragende Dienstleistung erbringen und unkonventioneller und wilder in der Bildsprache sein, um sich von seinen Mitbewerbern abzugrenzen. Das bedeutet einen überdurchschnittlichen Einsatz, macht aber unheimlich Spass.
 

Die Fotografie ist noch immer dominiert von Männern. Wieso gibt es nicht mehr Fotografinnen?

Da kann ich mich fast nur in die Nesseln setzen. Ich treffe die Annahme, dass es oft die Nichtvereinbarkeit von Familie und Beruf ist. Gerade in einem Beruf wie in der Fotografie sollte man immer verfügbar und flexibel sein, was auch schön ist. Nur ist es schwierig, dieser Herausforderung gerecht zu werden, wenn die Strukturen wie Krippen oder das passende familiäre Umfeld nicht gegeben sind. Ich hoffe, dass Frauen in den nächsten 10 bis 15 Jahren in der Fotografie sowie auch in Führungspositionen vermehrt anzutreffen sind.
 

Wo siehst du dich als Fotografin in 10 Jahren?

Meine Wunschvorstellung wäre, in Ostasien zu arbeiten und zu leben. Aber wer weiss schon, wie es in 10 Jahren aussieht – es kommt oft anders, als man denkt.